Mit der Ausstellung „Grenzgänger – Wolfenbütteler Lebenswege in Ost und West“ (seit Freitag bis 9. Januar 2020) widmet sich das Museum Wolfenbüttel dem vermutlich größten deutsch-deutschen Ereignis des 20. Jahrhunderts.
Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Das Museum Wolfenbüttel führte 21 Interviews mit Menschen, die aus beruflichen, privaten oder anderen Gründen aus Wolfenbüttel in die neuen Bundesländer gegangen oder von dort nach Wolfenbüttel gekommen sind. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Beweggründe ihrer Ortswechsel, ihre Biografien und ihre beruflichen und privaten Erfahrungen in den vergangenen drei Jahrzehnten. Fotografiert wurden sie mit einem Gegenstand, der wichtig für ihr Leben ist und zur Erzählung beiträgt.
„Grenzgänger“ sind Menschen, die Trennendes überwinden – das können Staats- oder Landesgrenzen sein, aber auch ganz persönliche Grenzen, um neue Räume zu erschließen und Erfahrungen zu sammeln. In den Jahren zwischen 1948 und 1961 gehörten die „Grenzgänger“ im Raum Berlin zum Alltag der deutsch-deutschen Teilung. Tausende pendelten täglich zwischen Ost und West – auch durch das Brandenburger Tor – und überwanden damit regelmäßig die Trennungslinie, die Deutschland zu einem geteilten Land machte. Erst mit dem Mauerbau im Jahr 1961 endete dieses Phänomen, das Deutsche zugleich getrennt und verbunden hatte.
„Sind wir nach 30 Jahren ein Volk? Staatsrechtlich steht dieses außer Frage, aber politisch, gesellschaftlich und zwischenmenschlich bleiben weiter Fragen offen“, erklärte Dr. Sandra Donner, Leiterin des Museums Wolfenbüttel. „Ist die Einheit vollzogen, solange noch immer Wahlergebnisse und Lohnverhältnisse in Ost und West separat betrachtet werden?“
„Mit diesem besonderen Mauerfallprojekt wollten wir wegkommen von den klassischen Bildern wie jubelnde Menschen auf der Mauer, Trabis, die durch Spaliere fahren, und Wildfremde, die sich in den Armen liegen. Gemäß unserem Museumsmotto ,Eine Stadt erzählt‘ wollten wir von Wolfenbüttelern hören, wie ihre ganz persönliche Geschichte in diesem von Befreiung und Verstörung, Traum und Trauma geprägten vielschichtigen Transformationsprozess war. Das Weggehen, das Ankommen, die Erlebnisse, die Probleme, die Chancen und neuen Möglichkeiten haben uns dabei interessiert“, sagte Markus Gröchtemeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der Ausstellung und fügte hinzu. „Die Biografien der Interviewten haben uns zum Teil tief bewegt.“
Die „Grenzgänger“ erzählen mit großer autobiografischer Tiefe deutsche Geschichte. Es sind Erzählungen von Freiheit und Enttäuschung, von Erwartung und Trennung, von neuen Anfängen und alten Lasten, von Erinnerung und Zukunft.