Bereits zum 10. Mal wird im kommenden Jahr in Wolfenbüttel der Lessingpreis für Kritik verliehen. Erstmalig mit Unterstützung der Stadt Wolfenbüttel und in einem Haus, das den Namen des großen Dichters und Denkers Gotthold Ephraim Lessing – im Lessingtheater. Am Dienstag haben Vertreter der Lessing-Akademie Wolfenbüttel, der Braunschweigischen Stiftung und der Stadt Wolfenbüttel die Preisträgerin bekanntgegeben.
Ausgewählt von der Jury wurde die Schriftstellerin und Publizistin Ines Geipel. Bekannt geworden ist sie als Spitzensportlerin der DDR: zunächst als Staffelweltrekordlerin, später als scharfe Kritikerin jeder Form des Dopings. Als amtierende Weltrekordlerin der 4×100 Meter-Staffel unternahm sie 1984 einen von der Staatssicherheit vereitelten Fluchtversuch. Fortan unterlag sie Zersetzungsmaßnahmen und musste ihre Sportkarriere beenden. Von diesem schmerzhaften Ausgangspunkt eigener Erfahrung sind das Verschweigen und Verdrängen mit ihren psychosozialen Folgen zum zentralen Untersuchungsfeld von Ines Geipel geworden. In ihren Romanen, Essays und literarischen Sachbüchern hat sie es verstanden, die Erfahrungen des Einzelnen immer auch in ihrer politisch-historischen Dimension und als Resonanzraum für die Gegenwart zu erörtern.
„Wir finden, dass dieser Preis eine hohe Bedeutung hat. Auch für die Stadt Wolfenbüttel. Daher sind wir sehr froh, dass wir den Lessingpreis für Kritik unterstützen können“, betonte Bürgermeister Thomas Pink während der Bekanntgabe. Und auch Axel Richter (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Die Braunschweigische Stiftung) und Prof. Dr. Cord-Friedrich Berghahn (Präsident der Lessing-Akademie) zeigten sich hoch erfreut darüber, dass man die Stadt Wolfenbüttel als Partner an der Seite hat.
Der Lessing-Preis für Kritik wird seit dem Jahr 2000 gemeinsam von Lessing-Akademie Wolfenbüttel und Die Braunschweigische Stiftung verliehen. Als Mitvergebende des Preises fungiert seit diesem Jahr erstmals auch die Stadt Wolfenbüttel. Mit dem Lessing-Preis für Kritik wird, nach dem Vorbild Lessings, Kritik in einem elementaren, fachübergreifenden, auch gesellschaftlich wirksamen Sinn aus-gezeichnet, eine bedeutende, geistig und institutionell unabhängige, risikofreudige kritische Leistung.
Namhafte Preisträger
Es gehört zu der Besonderheit des alle zwei Jahre vergebenen Preises, dass der Preisträger einen Förderpreisträger eigener Wahl bestimmt. Dotiert ist der Lessing-Preis für Kritik mit insgesamt 20.000 (15.000 und 5.000) Euro. Für den Förderpreis hat Ines Geipel drei junge Forscherinnen vorgeschlagen – Ekaterina Melnikova, geb. 1994, Ekaterina Pavlenko, geb. 1996 sowie Margarita Maslyukova, geb. 1992. Alle drei gehören der Menschenrechtsorganisation »Memorial« an und arbeiten zur Geschichte der friedlichen Revolution 1989 in Russland – heute in Russland wieder ein Tabuthema. Aktuell präsentieren die drei ihre Ausstellung »Vor der Wand«, die den Kontex zwischen den friedlichen Protesten 1989 und der Notwendigkeit von Protesten im gegenwärtigen Russland sucht.
Ines Geipel reiht sich als Preisträgerin nun neben Persönlichkeiten wie Karl Heinz Bohrer / Michael Maar (2000), Alexander Kluge / St. Petersburger Cello-Duo (2002), Elfriede Jelinek / Antonio Fian (2004), Moshe Zimmermann / Sayed Kashua (2006), Peter Sloterdijk / Dietmar Dath (2008), Kurt Flasch / Fiorella Retucci (2010) Claus Peymann / Nele Winkler (2012), Hans-Ulrich Wehler/Albrecht von Lucke (2014) Dieter Wieland / Thies Marsen (2016) sowie Elizabeth T. Spira / Stefanie Panzenböck (2018) ein.