Die 1543 gegründete „Große Schule“ Wolfenbüttel ist Gewinner des „Sally-Perel-Preises“ 2021. Im Rahmen einer Video-Feier zeichnete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des VW-Werks Braunschweig die VW-Akademie mit Platz zwei und die Sally-Perel IGS in Braunschweig mit dem 3. Platz aus.
Dieser vom Vorstand und Betriebsrat des Braunschweiger VW-Werks 2013 gegründete Preis soll Ansporn für junge Menschen sein, respektvoll miteinander umzugehen. Dieser Preis trägt den Namen des inzwischen 96jährigen Sally Perel, der bekannt wurde durch sein Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“. Dort beschreibt er, wie er als Josef in der Hitlerjugend den Holocaust überlebt hat. Seit Jahrzehnten ist er als Mahner unterwegs auf Demos, in Schulen in Interviews, um gegen das Vergessen der Nazi-Gräultaten anzutreten.
Auf Anregung des Vorsitzenden vom „Kulturstadtvereins Wolfenbüttel, Prof. Dr. Christoph Helm, hat sich die Religionslehrerin der Großen Schule, Ruth Heinemann, mit ihrem Kurs des 11. Jahrgangs 2019 daran gemacht, die Geschichte jüdischer Schüler der Großen Schule zu erforschen und zu dokumentieren. Die Arbeit stand im Zusammenhang mit dem Themenjahr des Kulturstadtvereins „Jüdische Tradition und jüdisches Erbe in Wolfenbüttel“. Zudem hatte sich der Verein zu der Zeit mit der Veröffentlichung der 2. Auflage der Broschüre „Jüdischer Rundgang Wolfenbüttel“ befasst. Erkenntnisse aus den Nachforschungen der Schülerinnen und Schüler sind darin eingeflossen. „Auch die aus der leider durch Corona unterbrochenen Arbeit der Schülerschaft des Schloss-Gymnasiums über jüdische Mädchen, die dort ihr Abitur abgelegt haben.“, erklärt Prof. Dr. Helm bei einem Gespräch auf dem Schulhof der „Großen Schule“ mit der stellvertretenden Schulleiterin Susanne Hasse.
Die Ergebnisse der Recherchen des Religionskurses wurden im November 2019 im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel in einer Ausstellung präsentiert. Der Vereinsvorsitzende war begeistert vom musikalischen Rahmen am Eröffnungstag: “Unter der Leitung der Musiklehrerin Karin Löffler wurde Klezmer-Musik gekonnt vorgetragen.“ Er findet es wichtig, dass an die jüdische Tradition in Wolfenbüttel und das positive Miteinander im 18. und 19. Jahrhundert im Leben zwischen Menschen christlichen und jüdischen Glaubens in Wolfenbüttel durch die heutigen Schülerinnen und Schüler erinnert wird. Die Preisträger spenden die Prämie von 500 Euro an den Verein Israel Jacobson Netzwerk für jüdische Kultur und Geschichte in Braunschweig.
Die Mitglieder des Religionskurses haben sich mit Unterstützung durch Material vom Kulturstadtverein auf die Suche nach dem Leben ehemaliger jüdischer Schüler der Großen Schule begeben. Speziell Leopold Zunz und Joachim Esberg waren gefragt. Leopold Zunz war nach dem Abi (1811) später Begründer der Wissenschaft des Judentums. Der deutsch-jüdische Lyriker Joachim Esberg, mit dessen Gedichten aus dem belgischen Exil sich der Kurs befasste, wurde in Auschwitz umgebracht. So wie die beiden waren alle Abiturienten jüdischen Glaubens zuvor an der „Samson-Schule“. Sie wurde 1786 vom Bankier Philipp Samson als Talmud-Thoraschule im Haus der Harzstraße 12 gegründet, 1888 war sie eine Realschule, die wegen der großen Nachfrage schon 1858 ein weiteres Gebäude am Neuen Weg 50 für 150 Schüler eröffnet hat. Die Schule musste aber 1928 wegen finanzieller Probleme geschlossen werde. Später befand sich in diesen Räumen die „Moreno-Schule“, einer anerkannten Ersatzschule in privater Trägerschaft. Seit dem Auszug steht der markante rote Backsteinbau leer.
Doch die Erinnerungskultur wird dort weitergepflegt werden. Durch die Kontakte von Prof. Dr. Helm mit dem Vorsitzenden der Moses Mendelssohn Stiftung, Prof. Dr. Julius H. Schoeps, wurde das ehrwürdige Gebäude mit dem Grundstück von der Stiftung erworben. Sie fördert Bildung, Erziehung, Wissenschaft und Forschung auf dem Feld der europäisch-jüdischen Geschichte und Kultur. Die Stiftung ist Gesellschafterin der GBI-Unternehmensgruppe und engagiert sich in diesem Zusammenhang für gemeinnützige Bauprojekte, die der deutsch-jüdischen Verständigung dienen. Die Moses Mendelssohn Stiftung plant in Wolfenbüttel den Umbau der Samsonschule zu einem Studentenwohnheim sowie 70 Neubauwohnungen. Rund 150 Studierende können ab Ende 2023 in dem restaurierten historischen Schulgebäude wohnen. Hier schließ sich ein Kreis jüdischen Lebens in Wolfenbüttel. Dank des Dichters Gotthold Ephraim Lessing gibt es eine besondere Beziehung der Moses Mendelssohn Stiftung zur Stadt Wolfenbüttel.